Rosi Deichert
Einen Weg suchen
Zeichen entziffern
Den ersten Schritt tun
Die richtigen Worte finden
Stillsein und lauschen
Berühren was fremd ist
Nähe
versuchen
auch wenn das Herz
ängstlich schlägt.
aus: “Gegen alle Entfernungen“ von Anne Steinwart
„..... einen Weg suchen.....“ auch wenn das Herz ängstlich schlägt; so auch
meine Gedanken, als ich ins Zentrum für Weiterbildung nach Darmstadt kam.
Denn es wird viel Neues auf mich zukommen, ich werde still sein und lauschen und
auch Fremdes berühren müssen oder besser gesagt dürfen, weil ich an einer
Weiterbildung teilnehme und dadurch auf Wiedereingliederung in das Berufsleben
hoffe.
So kam ich nach Darmstadt, einer Stadt mit Flair, pulsierend, mit viel Kultur,
lebens- und liebenswert.
„... einen Weg suchen“ heißt für mich, die Weiterbildung gut beenden, vieles
mitnehmen und mein Wissen erweitern.
Etwas mitnehmen, lernen, so auch dieses Projekt „Hypatia“, das mich zu einem
Bummel durch Darmstadt einlud, um Eindrücke, Düfte, Geräusche, Stimmungen zu
sammeln.
Mein Weg führt mich über den Luisenplatz, die Wilhelminenstraße zum
Wilhelminenplatz.
Die Sonne scheint, es ist schön warm. Krokusse blühen, erste Frühlingsboten
werfen bunte Farbtupfer auf die Wiese. Setze mich auf eine Bank, lasse meine
Gedanken fließen.
Beobachte Leute, die zum Teil eilig und gehetzt vorbeirennen. Andere wiederum
langsam und gemächlich vorbeischlendern. So auch die junge Frau mit einem
Kinderwagen.
Ich denke zurück, als ich an der gleichen Stelle war, auch mit Kinderwagen
unterwegs, und denke : “Bin ich froh, dass diese Zeit vorbei ist.“
Die alte Frau mit Gehhilfe, die sich eben erschöpft auf die Bank setzt. Der
Radfahrer, der vorbeirast, die Frau mit vollen Einkaufstüten, das Mädchen, das
mir gegenübersitzt und lernt. Alles ist irgendwie in Bewegung und trotzdem hat
alles auch eine gewisse Ruhe.
Meine Gedanken kehren ein Jahr zurück, als ich am Wilhelminenplatz auf einer
Bank saß, nervös war, weil ich ein Vorstellungsgespräch hatte. Meine Gedanken
zum wiederholten Mal sortierte, meine Unterlagen zum x-ten Mal durchsah, die
Notizen, die ich mir zu diesem Gespräch gemacht hatte, nochmal durchging und mir
Hoffnung auf einen neuen Arbeitsplatz machte.
Das Gespräch verlief gut, hatte ein gutes „Bauchgefühl“. Doch ein paar Tage
später dann die Ernüchterung, meine Unterlagen kamen zurück. ......“müssen Ihnen
leider mitteilen..“, diesen Satz kennt man ja. Die Enttäuschung war groß.
Gerade diese Szene fiel mir wieder ein, als ich so in der Sonne saß und sie mir
ins Gesicht schienen ließ.
Mein Weg führt mich zurück zum Luisenplatz. Wo das Leben so richtig pulsiert.
Ein stetes Kommen und Gehen. Hektische Menschen, viele Nationalitäten, viel
Sprachgewirr, irgendein Penner, der sein Geld zählt, ob es noch für „nen
Dosenbier reicht“, viel buntgemischtes Volk.
Gequietsche, Gebimmel von an- und abfahrenden Bussen und Straßenbahnen. Gerenne
von Schülern und anderen Leuten. Geschiebe, Gedränge und es ist erstaunlich,
dass alles trotz allem so ruhig fließt. Dazwischen ein Rentnerpaar, das den
Trubel um sich herum nicht richtig wahrnimmt und es irgendwie schafft, zwischen
all den Bussen und Straßenbahnen den Platz zu überqueren.
Dazwischen ich - mit meinen Ängsten, Hoffnungen und Empfindungen. Nehme jedes
Geräusch, jeden Ton, jeden Laut von dieser chaotischen Ruhe wahr, mit all meinen
Sinnen. Schließe meine Augen für einen Moment, lasse Geräusche, Töne und Düfte,
fremde Nähe in mir wirken. Berühre Fremdes und Neues mit meinen Sinnen.
Stillsein und lauschen -
doch das Gequietsche der Straßenbahn holt mich in die Wirklichkeit zurück.
Multikulturelle Begegnungen in der Wissenschaftsstadt Darmstadt.
Darmstadt - eine Stadt mit viel Treiben, viel Turbulenzen, Kultur, lebens- und
liebenswert, wo man sich auch als Frau wohl fühlen kann, auch wenn - um mit dem
Gedicht von Anne Steinwart zu enden - auch wenn vielleicht am Anfang das Herz
ängstlich schlägt.